Nr.23/06 8.6.2006

Der jahrzehntelange Kampf reaktionärer Juristen gegen den antifaschistischen Artikel 139 Grundgesetz


Faschistische Parteien und ihre Propaganda verbieten!
Verbotsantrag der MLPD

2-farbige Broschüre, 16 Seiten, 1,10 Euro

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Viele Menschen fragen sich, wie es eigentlich sein kann, dass faschistische Organisationen wie die NPD in aller Öffentlichkeit ihre Hetze verbreiten dürfen, Millionen-Euro aus der staatlichen Parteienfinanzierung erhalten, warum sie nicht endlich verboten werden.

Gerichte, Juristen und bürgerliche Politiker wenden dann - natürlich sehr bedauernd - gerne ein, die NPD sei leider nicht verboten, das letzte Parteiverbotsverfahren gegen die NPD gescheitert usw. Zu Recht hatte die MLPD dagegen in ihrem eigenständigen Verbotsantrag im Mai 2001 darauf hingewiesen: ,,Die faschistischen Organisationen müssen sofort verboten werden. Das ist heute rechtlich nicht nur möglich, sondern gemäß Artikel 139 Grundgesetz auch geboten. Es kann jederzeit durch die Bundesregierung vollzogen werden."

Artikel 139 Grundgesetz (GG) führt unmissverständlich aus, dass alle zur ,,Befreiung des deutschen Volkes vom Nationalsozialismus und Militarismus" erlassenen Vorschriften weiterhin gültig sind. Dieser Artikel wurde 1949 auf Druck der Al liierten als grundsätzliche Lehre aus den Erfahrungen mit dem Hitler-Faschismus ins GG aufgenommen. Zu den durch Artikel 139GG geschützten Vorschriften zählt insbesondere das Verbot jeglicher Nazi-Organisationen und -Propaganda.

Verschiedene bürgerliche Juristen erheben zahllose Einwände gegen die Wirkung des Artikels 139GG. So behaupten sie, die Entnazifizierung in Deutschland wäre bereits in den 1950er Jahren erfolgreich beendet worden. Tatsächlich bestehen aber bis heute Nazi-Organisationen. Und selbst die Bundesregierung erklärte anlässlich ihres Antrags auf Aufnahme in die UNO noch 1970: ,,Das ausdrückliche Verbot von nazistischen Organisationen und gleichfalls die Vorbeugung gegenüber nazistischen Tendenzen folgen aus dem Grundgesetz mit der Wirkung, dass die von den alliierten und deutschen Stellen erlassene Gesetzgebung zur Befreiung des deutschen Volkes von Nationalsozialismus und Militarismus weiterhin in Kraft ist." (UN, General Assembly, Dokument A/8056)

Schließlich - so wird von Verbotsgegnern argumentiert - sei Artikel 139GG mit dem ,,2+4"-Vertrag mit den alliierten Siegermächten hinfällig geworden. Doch warum wurde Art. 139GG bei den zahlreichen Grundgesetzänderungen im Zuge der Wiedervereinigung dann nicht gestrichen?

Angesichts des antifaschistischen Bewusstseins unter den Massen und der kritischen internationalen Öffentlichkeit hat sich bislang niemand getraut, Artikel 139GG aus der Verfassung zu nehmen. Stattdessen wird versucht, ihn auf kaltem Wege zu beerdigen, durch reaktionäre Professoren, Kommentatoren und Richter.

Ein Ur-Vater dieser Entwicklung ist der 1993 verstorbene Jura-Professor Theodor Maunz. In Nachrufen wurde er in den höchsten Tönen gelobt. ,,Sein Name zählt zu den großen in der deutschen Staatsrechtlehre" wurde die herrschende Stimmung am 21.12.93 in der ,,FAZ" zusammengefasst. Tatsächlich war Maunz bereits im Hitler-Faschismus ein berüchtigter Nazi-Jurist. 1936 hetzte er über die angeblich ,,verhängnisvolle Neigung jüdischer Verwaltungsrechtler zu liberalistischer Rechtsstaatsdoktrin." Die gesetzwidrigen Verhaftungen der Gestapo erklärte er zu ,,justizfreien Hoheitsakten". Nach dem II. Weltkrieg war er 1948 beim Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee dabei und wurde 1954 auf einen Lehrstuhl in München berufen. 1957 wurde das CSU-Mitglied Maunz Kultusminister in Bayern. 1964 musste er abtreten, als seine Nazi-Vergangenheit öffentlich bekannt wurde. Dennoch trägt bis heute der maßgebende, herrschende Kommentar zum Grundgesetz seinen Namen. Maunz behauptete, die abstrakte ,,Menschenwürde" des Artikel 1GG sei den Entnazifizierungsvorschriften des Artikel 139GG übergeordnet. Ihn für völlig hinfällig zu erklären, wagte er auf Grund seiner Nazi-Vergangenheit nicht. Das erledigte
später sein Schüler, Zögling und Assistent Roman Herzog. Roman Herzog - besser bekannt als ehemaliger Verfassungsrichter und Bundespräsident. Er spricht im Maunz'schen Grundgesetz-Kommentar Artikel 139GG jegliche Rechtskraft ab. Er sei eine unzulässige ,,Sondervorschrift nach rechts". Seine ,,Argumentation" ist plump antikommunistisch. So setzt er den Hitler-Faschismus und die damals
sozialistische Sowjetunion, die die Hauptlast der Befreiung am Hitler-Faschismus trug, auf eine Stufe. Und - so Herzog - es sei ,,gänzlich ausgeschlossen", dass das deutsche Volk ,,dem Totalitarismus der einen Seite mehr Ablehnung entgegenbrächte als dem der anderen". Mit dieser ,,Argumentation" lehnt er sich an den bereits von den Faschisten entwickelten Begriff des ,,gesunden deutschen Volksempfindens" an. Dieses Empfinden hat eben streng antikommunistisch ausgerichtet zu sein, egal, wie es um die öffentliche Meinung oder historische Tatsachen bestellt ist.

Kritische Juristen hatten an Maunz schon früher seine konservative Haltung kritisiert. Dass sein Vorgehen aber Methode hatte und mit führenden deutschen Faschisten abgestimmt war, kam erst nach seinem Tode heraus. So titelte die ,,Deutsche Nationalzeitung" (DNZ) des Multimillionärs Gerhard Frey 1993, ,,Deutschland" habe seinen ,,größten Rechtsgelehrten" verloren, und der Führer der neofaschistischen DVU, Frey, ,,seinen wunderbaren Wegbegleiter". Hunderte Artikel hat Maunz anonym für die DNZ geschrieben. Wöchentlich traf er sich zur ,,stundenlangen Besprechung aller zentralen politischen und juristischen Fragen" (DNZ 24.9.1993) mit Frey.

Kein Wunder also, dass Maunz solche Anstrengungen unternahm, den antifaschistischen Artikel 139GG zu attackieren. Umso weniger sind seine ,,Argumente" und die seiner Wegbegleiter dazu geeignet, dieser eindeutigen Vorschrift ihre Wirksamkeit zu nehmen.

Rechtsanwalt Peter Weispfenning




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