![]() Nr.11/02 14.3.2002 |
Offener Brief an die Sprecher des Ostermarschkomitees Rhein/Ruhr
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»Während SPD und Grüne zu kriegsführenden Regierungsparteien geworden sind, bilden sich neue Kräfte in der Friedensbewegung heraus. Sie bestehen vor allem aus vielen Jugendlichen und Schülern, aus ausländischen Gruppen - wie afghanischen Frauenverbänden - Kräften aus der Frauenbewegung usw.« Bilder: Großdemonstration in Stuttgart am 13.10.01. Fotos: RF.
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Lieber Willi Hoffmeister, lieber Felix Oekentorp! Vor kurzem erhielten wir das »Protokoll« des 2. Friedensratschlags NRW am 19. Januar 2002 in Duisburg, das an einen breiten Verteilerkreis gerichtet ist und wohl auch entsprechend Wellen schlagen soll. Dieses Rundschreiben selbst ernannter Protokollführer stimmt mit dem Ablauf der Versammlung in keinster Weise überein und enthält eine völlig unakzeptable Diffamierung der MLPD. Für den Schaden für die Einheit der Friedensbewegung tragen die Verfasser und Verschicker des Rundschreibens die volle Verantwortung. Die MLPD hatte auf dem Treffen »Grundsätze für die Vorbereitung und Durchführung des Ostermarsches 2002 in NRW« zur Diskussion und Verabschiedung vorgeschlagen. Allein dieser Vorschlag wird im »Protokoll« als Versuch der MLPD zum »Missbrauch des Bündnis« und zur »Instrumentalisierung der Friedensbewegung« durch die MLPD diffamiert, ohne auch nur ein einziges der vorgebrachten Argumente oder gar die vorgeschlagenen Spielregeln zu nennen. Das ist ein eindeutiger Funktionsmissbrauch und Vertrauensbruch. Organisatorische Positionen werden hier genutzt, um eigene Meinungen durchzudrücken und missliebige Ansichten zu unterdrücken und zu diffamieren. Liebe Freunde, das ist eine Praxis, die manchem vielleicht noch aus DDR-Zeiten geläufig ist - die aber bekanntlich gründlich Schiffbruch erlitten hat und ein für alle Mal der Vergangenheit angehören sollte. Wir erleben derzeit eine dramatische politische Entwicklung und Herausforderung an die neue Friedensbewegung. Mit dem Sturz des Taliban-Regimes ist der Krieg in Afghanistan keineswegs beendet - im Gegenteil wird er täglich weiter forciert. Stündlich sterben unschuldige Zivilisten - nunmehr bereits mehr, als beim Anschlag auf das World-Trade-Center umkamen - und inzwischen auch deutsche Soldaten. Die Bundesregierung hat die Öffentlichkeit dreist belogen mit ihrer Behauptung eines humanitären Einsatzes in Afghanistan: In Wirklichkeit kämpfen deutsche Soldaten der KSK-Einheiten an vorderster Front in der Boden- und Luftoffensive der NATO. Bundeswehrsoldaten stehen inzwischen in zehn Ländern der Erde bereit zu Ausweitungen des »New War ». Die USA planen einen unmittelbaren Angriff auf den Irak und weitere Länder. Der Gipfel der Aggressivität ist die Ankündigung der USA, neu artige Atomwaffen zu entwickeln und einzusetzen. Dies alles kennzeichnet eine eklatante Bedrohung des Weltfriedens und stellt die bisher größte Herausforderung an die im letzten Jahr entstandene neue Friedensbewegung dar. Die Forderung nach einer neuen Breite der Friedensbewegung ist dringend geboten. Damit sie aber diese notwendige Breite erhält, braucht sie gemeinsam anerkannte demokratische Spielregeln. Sie sind notwendig, weil die Beteiligten an den Ostermärschen der letzten Jahre, zumindest in NRW, nur einen kleinen Teil der heutigen, notwendigen Friedensbewegung repräsentieren. Wir verweisen auf den Unterschied in der Zusammensetzung der beiden Großdemonstrationen vom Oktober 2001 in Berlin und Stuttgart. Die von Kanzler Schröder durch die Verknüpfung mit der Vertrauensfrage im Parlament diktatorisch erzwungene Zustimmung zu den Kriegseinsätzen hat zudem bei manchem Friedenskämpfer Resignation erzeugt, weil die Vorstellung scheiterte, Parlament und Regierung seien von der Notwendigkeit des Friedens zu überzeugen. Während SPD und Grüne zu kriegsführenden Regierungsparteien geworden sind, bilden sich neue Kräfte in der Friedensbewegung heraus. Sie bestehen vor allem aus vielen Jugendlichen und Schülern, aus ausländischen Gruppen - wie afghanischen Frauenverbänden - Kräften aus der Frauenbewegung usw. Uns ist daran gelegen, dass die neue Friedensbewegung in ihrer ganzen möglichen Breite in die Vorbereitung und Durchführung der Ostermärsche 2002 einbezogen und gewährleistet wird, dass innerhalb dieser vielfältigen Bewegung Demokratie und Gleichberechtigung herrschen - und nicht Dominanz oder Führungsansprüche Einzelner sich breit machen. Auf der Versammlung am 19.1.2002 in Duisburg wurde jede Diskussion über Anliegen und Inhalte der von uns vorgeschlagenen Grundsätze von euch abgewürgt. Felix Oekentorp verstieg sich gar zu der Aussage, »die Forderung nach Grundsätzen sei eine unverschämte Diffamierung des Ostermarsches und eine Unterstellung, dass dort bisher undemokratisch gearbeitet wurde, und gehöre sofort vom Tisch gefegt«. Es gibt für uns zwei Möglichkeiten: Entweder war die bisherige Zusammenarbeit in der Ostermarschbewegung bereits demokratisch und gleichberechtigt organisiert - dann ist die Festschreibung dieser demokratischen Zusammenarbeit in Spielregeln ja wohl überhaupt kein Problem. Oder aber, hier wird ein angestammter Führungsanspruch beansprucht, dem demokratische Spielregeln in die Quere kommen. Dann ist eine kritische Diskussion doppelt notwendig! Die zitierte Art und Weise der Diskussionsführung, ebenso wie die Herausgabe des verfälschenden und diffamierenden Protokolls weist darauf hin, dass hier durchaus persönliche Motive und Ambitionen eine Rolle spielen. Um es deutlich zu sagen: für Platzhirsch-Attitüden sollte in der Friedensbewegung kein Raum sein! Wir haben wichtigeres zu tun als persönliche Profilierungsspielchen! Ihr müsst euch darüber im klaren sein, dass euer Vorgehen objektiv eine spalterische Wirkung hat. Es führt dazu, dass ihr mit der MLPD den Weg des aktiven Widerstands und einen revolutionären Standpunkt aus dem dann von euch dominierten Teil der Friedensbewegung ausgrenzt und damit die Friedensbewegung insgesamt - ob gewollt oder nicht - schwächt. Wir möchten keineswegs eure Verdienste für die Friedensbewegung bzw. die Ostermarschbewegung in Frage stellen - oder gar unterstellen, es sei darin generell undemokratisch zugegangen. Von unserer Seite aus war sicherlich immer wieder ein Problem, dass wir nicht langfristig an der Vorbereitung der Ostermärsche mitgearbeitet haben und damit eine kontinuierliche Zusammenarbeit und längerfristige Vertrauensbildung erschwert wurde. Wir tragen so auch eine Verantwortung dafür, dass auftauchende Differenzen oft sehr kurzfristig und unter Zeitdruck bearbeitet werden muss ten, was eher zur Verschärfung als zur Klärung der Widersprüche beitragen kann. Gerade das haben wir geändert und auf mehreren Konferenzen - wie am 8.5. in Köln, den Friedenskonferenzen Rhein/Ruhr in Duisburg im Oktober und jetzt - die konstruktiven und gleichberechtigte Zusammenarbeit mit euch gesucht. Jeder Gedanke an eine Dominanz unsererseits liegt uns dabei fern und würde grundsätzlich unseren Zielen und Prinzipien widersprechen. Die erfolgreichen Großdemonstrationen in Stuttgart und Berlin am 13.10. waren aus unserer Sicht erste wichtige Höhepunkte einer solchen konstruktiven Zusammenarbeit. Im Interesse des gemeinsamen Einsatzes für den Frieden bieten wir euch jede sachliche Zusammenarbeit an. Das schließt aber Diffamierung und Unterdrückung von Positionen aus. Deshalb fordern wir euch dringend auf, das verschickte Protokoll zurückzuziehen, bzw. unseren heutigen Brief zusammen mit den von uns vorgeschlagenen Grundsätzen an den selben Verteilerkreis wie das Protokoll zu verschicken. In Erwartung eurer Antwort mit solidarischen Grüßen Reinhard Funk, Verantwortlicher für Friedenspolitik, 13. 3. 2002 MLPD, ZK
Die von der MLPD vorgeschlagenen Grundsätze: 1. Gleichberechtigte überparteiliche Zusammenarbeit auf antifaschistischer und antimilitaristischer Grundlage 2. Keine öffentlichen Angriffe auf beteiligte Organisationen 3. Recht auf eigenständiges Auftreten aller Beteiligten bei gleichzeitiger Pflicht, zum Gesamtgelingen beizutragen 4. Einsatz/Wahl einer örtlichen Koordinierungsgruppe. Alle Entscheidungen (Route, Verpflegung, Redner ... ) werden auf örtlichen Vorbereitungstreffen getroffen, zu denen öffentlich eingeladen wird, wobei alle relevanten Kräfte am Ort angesprochen werden 5. Eigenständige Finanzierung über Spenden und Abrechnung mit Revision auf Auswertungstreffen 6. Öffentliche Vorbereitungstreffen des Ostermarsches Rhein-Ruhr mit den Vertretern der Orte und allen tragenden Organisationen, auf denen das Motto, die Gesamtroute und Hauptredner einvernehmlich festgelegt werden. |
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